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herrschen, das sie nicht selber sind", sagte Herr Keuner, der
Denkende, lachend.
[Eine aristokratische Haltung]
Herr Keuner sagte: "Auch ich habe einmal eine aristokratische
Haltung (ihr wißt: grade, aufrecht und stolz, den Kopf
zurückgeworfen) genommen. Ich stand nämlich in einem
steigenden Wasser. Da es mir bis zum Kinn ging, nahm ich
diese Haltung ein."
[Über die Entwicklung der großen Städte]
Viele leben im Glauben, die großen Städte oder die Fabriken
könnten in Zukunft einen immer größeren, ja am Ende
unübersehbaren Umfang annehmen. Das ist bei dem einen
eine Furcht, bei dem ändern eine Hoffnung. Durch kein
zuverlässiges Mittel läßt sich nun feststellen, was daran sei. So
schlug Herr Keuner vor, jedenfalls lebend diese Entwicklung
beinahe außer acht zu lassen, sich also nicht so zu verhalten,
als könnten die Städte oder Fabriken außer Maß geraten.
"Alles", sagte er, "scheint in der Entwicklung mit der Ewigkeit zu
rechnen. Wer wagte es, den Elefanten, der das Kalb an Größe
hinter sich zurückläßt, irgendwie zu begrenzen? Und doch wird
er nur größer als ein Kalb, aber nicht größer als ein Elefant."
Über Systeme
"Viele Fehler", sagte Herr K., "entstehen dadurch, daß man die
Redenden nicht oder zu wenig unterbricht. So entsteht leicht
ein trügerisches Ganzes, das, da es ganz ist, was niemand
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bezweifeln kann, auch in seinen einzelnen Teilen zu stimmen
scheint, obwohl doch die einzelnen Teile nur zu dem Ganzen
stimmen.
Viele Ungelegenheiten entstehen dadurch oder dauern dadurch
fort, daß man nach Ausmerzung schädlicher Gepflogenheiten
dem Bedürfnis, das noch danach besteht, einen zu dauernden
Ersatz bietet. Der Genuß erzeugt selber das Bedürfnis. Um in
einem Bild zu sprechen: Für solche Leute, die das Bedürfnis,
viel zu sitzen, empfinden, weil sie schwächlich sind, soll man im
Winter Bänke aus Schnee errichten, damit die Bänke im
Frühjahr, wenn die jungen Leute stärker geworden, die alten
gestorben sind, gleichfalls und ohne Maßnahme verschwinden."
Architektur
In einer Zeit, wo eben kleinbürgerliche Kunstauffassungen in
der Regierung herrschten, wurde G. Keuner von einem
Architekten gefragt, ob er einen großen Bauauftrag
übernehmen solle oder nicht. "Hunderte von Jahren bleiben die
Fehler und Kompromisse in unserer Kunst stehen!" rief der
Verzweifelte aus. G. Keuner antwortete: "Nicht mehr. Seit der
gewaltigen Entwicklung der Zerstörungsmittel sind eure Bauten
nur Versuche, wenig verbindliche Vorschläge.
Anschauungsmaterial für Diskussionen der Bevölkerung. Und
was die kleinen scheußlichen Verzierungen betrifft, die
Säulchen usw., lege sie als überflüssig an, so daß eine
Spitzhacke den großen reinen Linien schnell zu ihrem Recht
verhelfen kann. Vertraue auf unsere Menschen, auf schnelle
Entwicklung!"
Apparat und Partei
Zur Zeit, als nach Stalins Tod die Partei sich anschickte, eine
neue Produktivität zu entfalten, schrien viele: "Wir haben keine
Partei, nur einen Apparat. Nieder mit dem Apparat!" G. Keuner
sagte: "Der Apparat ist der Knochenbau der Verwaltung und der
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Machtausübung. Ihr habt zu lange nur ein Skelett gesehen.
Reißt jetzt nicht alles zusammen. Wenn ihr es zu Muskeln,
Nerven und Organen gebracht habt, wird das Skelett nicht mehr
sichtbar sein."
Anmerkungen
Die Sammlung wurde durch eine noch im Nachlaß
aufgefundene Geschichte ("Über Systeme") ergänzt. Entgegen
dem bisherigen Editionsprinzip (in der Reihenfolge der
Veröffentlichung) wurde diese Geschichte so plaziert, daß die
beiden nachweislich zuletzt geschriebenen Geschichten
weiterhin am Schluß stehen. Erstveröffentlichungen von
"Keunergeschichten" in: Versuche, Heft I.Berlin 1930, Heft 5,
Berlin 1932, Heft 12, Frankfurt 1953; Kalendergeschichten,
Berlin 1949; Sinn und Form, 2. Sonderheft Bertolt Brecht, Berlin
1957; Geschichten, Band 81 der Bibliothek Suhrkamp 1962,
und Prosa, Band 2, Frankfurt 1965.
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